Volksliedfehler

26. Tag

Etwas Monkisches ist stets in meinem Verhalten: ich scanne stets automatisch nach Wahrheit, die selten genug, formuliere anschließend die Widersprüche und finde es komisch, wenn – beispielsweise – ein Stubenhocker mindestens dreimal am Tag die seine Wetter-App antippt.

Komisch auch, wenn jemand, der während der Zeit seines Lebens nie wanderte, sich stets nur ungern bewegte, am liebsten Wanderlieder hört.

Heute früh. Small Talk: “Wenn alle Brünnlein fließen”, mag sie am liebsten und ich habe Widersprüche zu unterdrücken. Besserwisser sind total unbeliebt. Denen bleibt eigentlich nur sich auf die Lippen zu beißen und das Internet zu quälen:

Ein Brunnen ist ein Bauwerk – Ein Bauwerk fließt nicht. Es bleibt stehen, wo man es gebaut. So betrachtet, ist allein die Vorstellung absurd, ein Brunnen könne fließen. (Vielleicht funktioniert das mit den ukrainischen Holzdingern bei Hochwasser?) Doch das Lied gilt für ALLE. Wenn alle Brünnlein fließen …Wie will man das kontrollieren?

Ach-ja – und: wieso MUSS “man” trinken?

Was, wenn “man” keinen Durst hat? Trotzdem?

“Abgehakt”, denke ich. Jetzt Farmer übern See, denn das Wandern ist des Müllers Lust.

Finanzielles Konzert

Der Januar leidet – wie immer – unter Weihnachten. Jeder Februar sollte daher – eigentlich – konsolidieren. Doch Anfang März kommt unsere neue Küche *freu* mit Fußboden, Elektriker, Maler und sonstigem Dreck. Dies kombiniert mit Obsessionen, getragen vom Wunsch NIEMALS ins Minus zu geraten.

Ich sitze, rechne diesmal besonders sorgfältig und denke:

“Блинчики – Das wird aber verflucht knapp, diesmal!”

Da kommt plötzlich Lara des Weges daher.

“Mily, Guckema was ich habe:”

karten

“Uuund? – Freust-de dich?”

Chworostowski? Klar freue ich mich. Cool. Endlich haben wir einen wirklich-triftigen Grund an die Ersparnisse zu gehen.

Defekt im Arbeitszimmer

Küche. Ich. Kaffee.

Bin noch dabei – mitten beim Kaffeemachen – da kommt Lara des Weges daher.

“Moin-moin”, Küsschen. Small Talk und die Feststellung:

“Heute ist ja euer großer Tag!”

Stimmt. HEUTE WIRD DIE MEISTERFAHNE GEHISST.

Hier steht der Meister!

Sie hat mir gestern noch eigens für das große Ereignis Plinsen gemacht, damit wir bei der Meisterfeier nicht verhungen. Und nun empfange ich die zugehörigen Instruktionen:

“… Diese Plinse ist mit Fleisch gefüllt, hierin ist Apfelmus, hier Kaviar. Servietten sind in der kleinen Tasche, und hier bitte: Mineralwasser! … Soll ich euch noch Tee machen? ….”

Plötzlich hält sie mitten im Eifer inne. … @? … Hört aufmerksam in Richtung Arbeitszimmer und stellt fest:

“Ich glaube, du brauchst einen neuen Computer – der alte ist jetzt total hinüber. Oder? – @?!”

Zunächst glaube ich das auch – sie hat wohl Recht – bis ich bemerke, dass die iTunes-Mediathek auf “alle zufällig” eingestellt ist, derweil im Arbeitszimmer “Emerson, Lake & Palmer” läuft.

Bilder einer Ausstellung”. “Das alte Schloss” – …

 

bilder einer ausstelllung

 

*schmunzel*

“Da ist nichts kaputt! Das ist Modest Mussorgski, seine “Картинки с выставки”, das “Старый замок” …”

Lara schüttelt den Kopf.

“Musik ist dach nicht – `s ist doch wahr! – Jedenfalls hört es sich ziemlich kaputt an.”

Hmmm.

Wenn ich es mir recht überlege ~ Vielleicht brauche ich ja wirklich einen neuen Rechner?

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Morgen früh, beizeiten, lege ich Jimi Hendrix auf. Mal sehen was Lara sagt.

Inverse Schlussfolgerungen

Victor_Zoi_1986Am 15. August 1990 starb Wiktor Robertowitsch Zoi nach einem Unfall.

Er war – laut Polizeiprotokoll – völlig übermüdet gewesen, fuhr zu schnell und war darüber hinaus nicht angeschnallt. Zoi verlor am frühen Morgen in der Nähe von Tukums auf der Straße nach Talsi die Kontrolle über sein Auto und rammte einen Bus.

Im Unfallwagen fand man ein Band mit Zois Gesang für ein neues Album der Rockgruppe, welches anschließend aufgenommen wurde, unter dem Namen “Чёрный альбом”.

Sein Grab in Sankt Petersburg, auf dem Bogoslowskoje-Friedhof, ist bis heute ständig mit Blumen geschmückt, in Moskau und Minsk errichtete man eine Wiktor-Zoi-Gedenkmauer …

Zois Texte (waren|sind) genial: Etwas Perstroika-Gefühl, viel Inhalt, tiefe Nachdenklichkeit, Wort- und Sprachästhetik pur.

Zois Tod kam für viel zu früh.

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Spätestens jetzt sollte der Fan wissen dass es besser ist, sich anzuschnallen und sich gut auszuruhen, bevor man sich auf eine lange Reise macht, aber nee:

“Über 65 Jugendliche in der Sowjetunion nahmen sich nach dem Tod Zois das Leben, weil sie glaubten, es hätte ohne ihr Idol keine Bedeutung mehr.” (Wikipedia)

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Das Phänomen “Wertherfieber”. Eine Begrifflichkeit, die dem Auftreten einer Suizidwelle nach der Veröffentlichung von Goethes Roman Die Leiden des jungen Werthers im Jahr 1774 geschuldet ist und wozu Goethe überrascht notierte:

„So verwirrten sich meine Freunde daran, indem sie glaubten, man müsse die Poesie in Wirklichkeit verwandeln […] und sich allenfalls selbst erschießen: und was hier im Anfang unter Wenigen vorging, ereignete sich nachher im großen Publikum.“ (Goethe)

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Ein Gurt ist oft die bessere Alternative.

Oder Schlaf.