Das Lutherfilm-Gleichnis

In einem Lutherfilm aus dem Jahre 2003 bekommt Friedrich der III. von Sachsen für seine noch zu leistenden Dienste vom Papst eine künstliche Rose geschenkt. Ein Geschenk, welches er artig annimmt.

Wenig später, als der Bote bereits auf dem Heimritt Richtung Rom, sagt Sir Peter Ustinov mit dem allertraurigsten Blick in die Kamera:

“Es ist doch beschämend, mit wie wenig man in Rom glaubt, mich bestechen zu können”.

Oder so ähnlich.

* * *

Jedenfalls hat sich das mit dem Job erledigt, der nämlich darin bestehen sollte, dass ich mir mein Geld selbst verdiene, indem ich auf Provisionsbasis “Spenden” einwerbe. Ein kriminelles Steuersparmodell zum “gegenseitigen Vorteil”, bei dem der Staat, sollte er blöde sein, benachteiligt wird. Die Provision werde mir aus einer gewissen “schwarzen Buchhaltung” zur Verfügung gestellt, die es mir wiederum – weil natürlich niemand nichts weiß ~ pscht! – ermögliche, gewisse staatliche Zuwendungen, wie Wohngeld zum Beispiel, zusätzlich in Anspruch nehmen zu können.

Wie seinerzeit Friedrich der Weise bedankte ich mich artig.

Bin ja auch dankbar, denn so kann ich die Vokabel “Chuzpe” am besten lernen. Und zwar “Chuzpe” in der Urfassung – die Grenzen von Höflichkeit und Anstand sind überschritten. Und große Vorfreude gehabt zu haben, ist unbezahlbar.

Alkoholindoxikation

An Tagen wie diesen … ho – jeh – jemmer-jammer – ALLERDINGS ~ *kurz nachgedacht* ~ ALSO FRÜHER WAR ES SCHLIMMER! DEFINITIV.

Früher als nämlich in Kneipen viel geraucht wurde, früher, als man selbst noch rauchte und daher in gleicher Situation am “Day After” sich selbst roch. Als Stinker sozusagen. Und: Was für ein Glück, dass wir inzwischen keinen Schnaps dazu trinken!

* * *

Zerschnarchter Mund, trocken total. Ich begebe mich zum Kühlschrank, finde die gestern von mir hierin präventiv deponierte Büchse Bier, derweil mein Unterbewusstsein den obligatorischen Gottesbeweis

– die Existenz von Bier beweist: Es gibt einen Gott! –

liefert. Und nach dem ersten Zug der labenden Flüssigkeit – Ahhh! – ergänzend dazu die Frohe Botschaft.

– die Existenz von Bier beweist: Gott liebt uns! –

* * *

Jedenfalls war Christi Himmelfahrt. Wir kehrten ein und lieferten uns hierzu belangloses Gesprächs-Zeugs. Nach drei Bier erklärte ich meinem geschiedenen Kumpel die Menopause, was nachlassende endokrine Funktion der Eierstücke für das innerfamiliäre Zusammenleben bedeutet und nach dem achten Bier rezitierten wir gemeinsam, dabei blöde lachend, den “Hasen im Rausch” …

“… geradezu in Strömen floss der Wein
Die Nachbarn gossen ihn sich gegenseitig ein.”

… und stritten uns, ob es “den Löwen her!” heißt oder “das Löwenheer” heißt. Wobei ich mich entweder durchsetzen konnte oder nicht.

Triebgesteuerte Kaufsucht

“Irgendwie brauch-ich des”, dachte ich beim Durchblättern des Werbeheftchens, ging extra deswegen zu Tchibo, kaufte mir 5 bunte “Kabelmanager” für 4,95 Euro und stelle fest, DASS ICH DEN KICKIFAX NICHT BRAUCHE, nie brauchte und niemals brauchen werde.

Mehr noch: Eine drahtig gebogene Büroklammer erfüllt den gleichen Job viel-viel besser.

Anyway: Für ein kleines Moment – als ich die hübsche Verpackung in der Hand hielt – spürte ich das Glück der Selbstbelohnung. Wie früher etwa, als Kind, wenn der Vater von einer Dienstreise “was” mitbrachte. Wie ein Hund der Lekkerlie bekommt (wofür diese Idioten sogar bereit sind, Unterwürfigkeit zu heucheln).

Jedenfalls ~~~ war ich wieder einmal, wie jede(r) andere auch.

Der leidende Geheimnisträger

Bereits 3 Uhr wachte ich auf. Schlaflos in Potsdam. Aufgeregt, wie damals vor Geburtstag und Weihnacht – „heute, Kinder, wird’s was geben …“ – denn heute, sagte man mir hinter vorgehaltener Hand, wird der große Chef ein Angebot machen.

Eine Information, die ich im Übrigen bereits seit einigen Tagen schweigend mit mir rum trage. Erstens weil ich von der Sippschaft nicht ständig gefragt werden möchte. Und zweitens, weil ich später die Enttäuschung – worst case szenario – für mich allein habe. Doch die Ruhe vor der Gewissheit eines Sturms ist furchtbar, wenn man sie schweigend ertragen muss.

Nur das Internet ist mein Freund – es behält zwar nichts für sich behält, FRAGT ABER WENIGSTENS NICHT NACH.

Derweil mein Postfach voll. Demnach suche man in der Ukraine händeringend Experten, lese ich. „Ob ich nicht noch einmal … ?“, will Lara wissen. Doch ich habe keinen Bock mehr auf Räuberhöhle. Bin zu erfahren und weiß nämlich ziemlich genau was ich will. Geborgenheit ist nämlich eine ästhetische Kategorie, nicht einfach nur Schönsprech.

Der Benennungszwang

Mit lauter jungen Deutschen – deren Alter so etwa „um die“ Vierzig 😉 – bin ich am Nordpol, eingeschlossen in einem Basislager, frierend, hungrig, derweil sich einer von denen wundert:

„Nirgendwo ist ein Schild. Woher soll man wissen, wo genau der Pol ist!“

Dann beschließt die am Nordpol eingeschlossene Gemeinde nach langer Diskussion, selbst ein Hinweisschild zu fertigen. Eines worauf steht: „HIER IST DER NORDPOL“. Doch man kann sich aber nicht darauf verständigen, in welcher Sprache das Schild sein soll, denn der Nordpol ist für alle da, die meisten Menschen sind Chinesen oder Inder doch niemand von denen, die anderen unbedingt den Weg weisen wollen, können Indisch oder Chinesisch.

Wie würde wohl ein Nordpol-Piktogramm aussehen?

Mitten in die Diskussion hinein, geht das Licht aus. Es zieht unangenehm bis auf Schnee und Eis plötzlich ein gelbes Riesenauto vorbei kommt. Ein solches, wie man es normalerweise benötigt, um den Regenwald zu holzen.

DER WECKER KLINGELT und ich bin wach.

„Wahnsinn“, denke ich wach werdend, „es gibt tatsächlich nur noch wenig Unbenanntes auf dieser Erde“.

Natural (Re-)Redirection

(17:12 Uhr) Nun komme ich – endlich – nach Hause, werde von Hund und Frau freudig begrüsst und …

* * *

… wir gehen bereits seit fast drei Stunden spazieren.

(19:46 Uhr) Inzwischen wird es langsam dunkel, in wenigen Minuten beginnt Fußball im Zweiten TV-Programm, ein Länderspiel, Deutschland-Polen, – derweil ich, respektive: WIR, am Grunewaldsee sitzen, spielen, toben und quatschen, quatschen, quatschen, quatsch…

„Ersatzhandlung“, fällt mir plötzlich ein.

Früher hätte ich mir in gleicher Situation wahrscheinlich eine Flasche Bier aufgemacht (und|oder) vorsorglich den Wodka aus dem Gefrierfach geholt, Lara würde meinen Freunden ihre fantastischen Salate präsentieren, die Sakuski, 100 Gramm – Trinkspruch – Zigarette an – Fernseher laut …

Alles Irdische ist mir derzeit fremd.

Wozu auch? Die Natur liefert mir frische Luft, der Hund Dankbarkeit und unser kleines Glück ersetzt das allgemeine Kunstglück. Ein superschnelles Internet am See wäre natürlich das Sahnehäubchen, aber alles Glück auf einmal zu haben, geht ohnehin nie.

Hundeplatzgleichnisse

43. Tag am Nachmittag

Asti gerät in Streit mit einem kastrierten Rüden, macht dem anderen – obwohl dieser gleichwohl größer wie stärker – die Rangordnung beim Beschnüffeln einer lecker riechenden Hündin klar: Eunuchen haben sich gefälligst hinten anzustellen!

„Voll verständlich“ – meine Meinung.

Die Sichtweise des zum Kastraten gehörenden Frauchens ist eine andere: Sie glaubt ihren kleinen Eunuchen schützen zu müssen und brüllt mich an:

„Rufen Sie gefälligst Ihren Hund zurück!“

Ich bleibe entspannt. Sehe überhaupt keinen Grund einzugreifen, zumal „meiner“ kleiner und optisch schwächer scheint. Statt Rückpfiff versuche ich die fremde Frau zu beruhigen.

„Lassen Sie die Hunde doch. Beide klären das untereinander besser als wir das können. Zumal die Hündin – der Grund der Streitigkeit – bereits weg ist.“

Bereits nach den beiden Worten „Lassen Sie …“ verändert sich ihr Gesicht. Ich beobachte aufkommendes Entsetzen im Gesicht gegenüber.

Diese Frau weiß zunächst offenbar nicht, was zu tun wäre. Beobachtet einige Sekunden die sich streitende Hunde und knallt mir anschließend DIE Frage aller Fragen an den Latz:

„Ist Ihrer etwa nicht kastriert?“

Das kleine Etwa bringt nun wiederum mich auf die Palme.

Glaubt die Doofe etwa, man MÜSSE Hunde kastrieren? Wie furchtbar grausam können wir Menschen eigentlich sein?! Wir heißen offenbar Tierquälerei für normal!

Dagegen ist jede Kastration in meiner maskulinen Vorstellung eine DE-Emotionalisierung. Eine Entfühlung sozusagen. „Die“ weiß wohl nicht wie schön das ist?

Welch Glück, dass „meiner“ hört. Fakultativ und unentmannt.

„Komm Asti, wir gehen“, sage ich und wir gehen ab.

* * *

Nachdenkend fällt mir auf: Die Leine ist das am besten geeignete Symbol, die Beziehung einer Frau gegenüber derer sozialen Umwelt zu beschreiben, Kastration eine inzwischen „normal“ gewordene feminine Maßnahme zur Unterordnung – ein bedenken- und bewusst gedankenlos angewandtes Verbrechen.

Feminine Logik

40. Tag

Vormittags. Park Babelsberg. Ich mit Hund.

Am Kindermannsee sitzt eine Frau, ebenfalls mit Hund, die, nachdem sie mich erblickt hat, sofort damit beginnt, wild zu gestikulieren. Dabei irgendwas zu rufen, was erst beim behutsamen Näherkommen entschlüsseln kann.

Erst dachte ich, sie bracht Hilfe, dann aber:

“Komm-se bloß nicht näher! Mein Hund verträgt sich nicht mit anderen.”

Dieser Logik folgend sollte man den Park schließen, wenn jenes Frauchen promeniert.

* * *

Nachmittags. Grunewald. Hundeauslauf.

Mitten im allgemeine Tohuwabohu freilaufender Hunde stolziert eine Dame mit angeleinter Hündin, welche – leicht zu erkennen – läufig ist. Die Dame versucht vergeblich die Rüden zu verscheuchen, die aufgrund der Hündin Duft Interesse zeigen und empört sich über die Rüden. Was – finde ich nun wieder – ein sich selbst kommentierender Vorgang ist.

* * *

Geschlechterquizz: Ist es vorstellbar, dass in einer der beiden von mir heute erlebten Situationen der jeweilige Besitzer männlich ist?

Die Hymenalrekonstruktion

40. Tag

ipad_rekonstruktion

* * *

Aufgrund gezeigten Unverständnisses liefere ich die Erklärung nach: Mein Paddik ist seit heute wieder Jungfrau ~ ein Tolles Gefühl!

So wie man jedes Jungfernhäutchen wieder flicken kann, kann man auch das iPad auf Werkseinstellungen zurücksetzen. Es ist dann wie neu. Wie mit Perwoll gewaschen.

Alles neu macht der Mai!

Als erstes reproduziere ich mir meine Vorteile für russisch-ukrainische Chats:

kurzbefehle

Ganz einfach: gibt man “hwtw” ein + Leertaste erscheint “Willkommen im wirklichen Leben” auf Russisch und bei “keineahnung” erscheint auf Ukrainisch “Meine Hütte steht am Rand, ich kann daher nichts wissen”.

“ichzuerst” heißt übrigens “Gehe niemals vor dem Batka in die Hölle!”

Binationaler Ehekrieg

39. Tag

Je t’aime … moi non plus”, das berühmte Duett von Serge Gainsbourg mit Jane Birkin aus dem Jahr 1969 erklingt aus meinem Telefon – “ja?” – am anderen Ende vernehme ich eine aufgeregte Lara, die mit dringlichster Stimme spricht.

“Hole mich bitte schnell ab! Schnell, schneller, also soschnellesgeht!”

Okay. Ich. Pedal to the Metal ~ schon bin ich da.

Lara geriet durch einen dummen Zufall – erfahre ich nun – in kriegerisches Gebiet.

Seit Anfang März, genau genommen: seit dem achten März, redet die alte russische Freundin nicht mehr mit mit dem zugehörigen deutschen Bettgenossen (und|oder) umgedreht: der Deutsche verweigere jedwede Kommunikation.

“… und während wir beide beim Yoga waren, hat der Blödmann alle Plinsen aufgegessen. Wir kamen gerade bei denen in der Wohnung an, da sehen wir, wie er sich gerade die allerletzte Plinse reingestopft …”

Das ist eine Untat. Lara hat extra Plinsen für ihre Freundin gebacken. Nach einem familiären ukrainischen Geheimrezept, mit viel Halb-und-Halb und sehr scharf.

“… einfach so. Ohne zu fragen. Und ohne auch nur das kleinste Krümelchen übrig zu lassen!”

Die Frage nach der Ursache drängt sich geradezu auf. So erfahre ich, dass beide gemeinsam einkaufen waren, beim Discounter. An die Kasse sollten beide für den Einkauf 120 Euro betragen haben, weshalb er “ein richtiges Theater gemacht” haben soll und seither spricht er nicht mehr. Zumindest mit ihr.

Erfahrung lehrt: Diese Geschichte ist unvollständig. Daher erzähle ich Lara nun die von mir vermutete Version. Also welches Ereignis nach meiner Vermutung zum Ausbruch des Krieges führte:

Der achte März ist nämlich Frauentag und dieser ist in Russland ebenso bedeutend wie bei uns Weihnachten oder Ostern. Ein von russischen Frauen herbeigesehntes Machofest. Die gelebte Feminismus-Karikatur. Die slawische Seele der Freundin wird wohl auch in diesem Jahr auf ein Geschenk bestanden haben, derweil er, der Deutsche, den ganzen russischen Frauentagsmist – ganz im Sinne von Clara Zetkin übrigens – abgelehnt haben wird. Weshalb sie wird es sich selbst besorgt hat. Bei Lidl. Und zwar ALLES, was ihr zusteht: Teurer Alkohol, Geschenk und Blumen.

Ich kenne die Freundin ein bisschen: Sie ist wie ein Mann, der zur Nutte geht, wenn er’s zu Hause nicht besorgt kriegt.

* * *

Mit “so wird’s gewesen sein” beende ich meine Vermutung, mit “ja. wahrscheinlich” gibt mir Lara Recht.

“Aber egal was war: Du hättest mir doch auch in solcher Situation nicht die Plinsen weggegessen?!”

In dieser Situation sicher nicht.

Aber nicht wie Lara meint, vorrangig aus Anstand und Höflichkeit, sondern eher aus Vorsicht oder aus Angst.