Feminine Logik

40. Tag

Vormittags. Park Babelsberg. Ich mit Hund.

Am Kindermannsee sitzt eine Frau, ebenfalls mit Hund, die, nachdem sie mich erblickt hat, sofort damit beginnt, wild zu gestikulieren. Dabei irgendwas zu rufen, was erst beim behutsamen Näherkommen entschlüsseln kann.

Erst dachte ich, sie bracht Hilfe, dann aber:

“Komm-se bloß nicht näher! Mein Hund verträgt sich nicht mit anderen.”

Dieser Logik folgend sollte man den Park schließen, wenn jenes Frauchen promeniert.

* * *

Nachmittags. Grunewald. Hundeauslauf.

Mitten im allgemeine Tohuwabohu freilaufender Hunde stolziert eine Dame mit angeleinter Hündin, welche – leicht zu erkennen – läufig ist. Die Dame versucht vergeblich die Rüden zu verscheuchen, die aufgrund der Hündin Duft Interesse zeigen und empört sich über die Rüden. Was – finde ich nun wieder – ein sich selbst kommentierender Vorgang ist.

* * *

Geschlechterquizz: Ist es vorstellbar, dass in einer der beiden von mir heute erlebten Situationen der jeweilige Besitzer männlich ist?

Das Stonehenge-Verhalten

17. Tag

Nachbereitung:

“Hast du gesehen, der Mann hilft seiner Frau nicht aus dem Mantel?! – Er kümmert sich auch nicht um sie, legt ihr Kuchen nicht auf den Teller und (für eine Ukrainerin schwer vorstellbar) erzählt öffentlich über die Missgeschicke der Gattin. ~~~ Sind beide wirklich Mann und Frau ein und der selben Familie?”

“Deutsche sind so”, erkläre ich ihr. Der Wunsch, sich zu paaren, bringt Deutsche zusammen, deren Steuergesetzgebung lässt sie aneinander kleben bleiben. Wie Fliegen an der Klatsche. Den Deutschen ist der oder die Einzelne alles, die Gemeinschaft nichts.

“Der Starke ist am mächtigsten allein” dichtete Friedrich Schiller, was im Übrigen auch Adolf Hitler in “Mein Kampf” …

Sie unterbricht scharf:

“Soll das etwa modern sein?”

Eine Frage, die provoziert.

“Nein! – Modern ist das nicht!”

Gewisses Verhalten ist viel-viel älter als man vermutet. Wie Stonehenge exemplarisch beweist: 3000 Jahre vor unsere Zeitrechnung trafen sich hier, an Stonehenge, Menschen zum Vögeln, feierten dabei auch noch ein Riesenfest und gingen schließlich auseinander.

Die Stonhenge-Menschen verhielten sich modern und ur-menschlich zugleich, wogegen man die Ehe, mit aller mit ihr einher gehenden Verlogenheit, erst viel-viel später erfand. Und zwar nach der Erfindung des Wortes “Meins”.

“Meine Frau, mein Haus, mein Pferd …” –

Meins macht einsam, Meins erfand Gott.

Es ist mein Lieblingsthema. Immer wieder könnte ich mich bei der Analyse menschlicher Abgründe “rein”steigern. Das Böse ist normal, das Gute die Ausnahme.

Wäre es umgedreht, würden die Neandertaler heute noch leben, gleichberechtigt neben uns.

Monks Familienfeier

Oder: Der 88. Geburtstag der Schwester der Mutter meiner Mutter.

Manchmal glaube ich, ein Kuckuckskind zu sein. Jedenfalls … @: ~ … also, wenn sich mein Klan versammelt, geschieht das relativ statisch: Man bleibt stundenlang an einem Tisch sitzen, und zwar von Mittagessen übers Kaffeetrinken bis hin zum Abendbrot.

Immer die selben, ständig wiederkehrende Gespräche ~

“… früher hat die Bockwurst 80 Pfennige gekostet und mit Brötchen nur 85 …”

~ garniert mit unzähligen Kalorien, für deren Verbrennung eine Woche vonnöten.

So war ich gestern von Rubenskörpern umzingelt, die sich nur zwischen Tisch und Toilette bewegten, derweil die Kellnerinnen zu schleppen hatten.

“Könnse zur Schwarzwälder noch ä bissel mehr Sahne machen?”

~~~

Ich. Gestern. Mittendrin.

Kam absichtlich etwas später und wich mit meiner Order vom Gesamtbild ab, indem ich mir zum Kaffee einen Espresso bestellte, …

😉

… einen doppelten.

Zum Abendbrot verlangte ich Bruschetta, dazu Wasser, medium.

Die gestrige Kellnerin sprach Sachsen-Anhalter Mundart. Ihre “Bruschetta” klang wie “Manschette”. Oder besser: nach einem Kofferwort, gebildet aus der Kombination von “Brust”, “Schwengel” und “Grilletta”.

Meine Hilfe hielt ich für Pflicht:

“Bruschetta wird mit “k” gesprochen – [brusˈketːa] – weil diese Speise aus Italien kommt.”

Dann zeigte ich auf das, was sie mir als “Bruschetta” brachte und erklärte geduldig:

Normalerweise nimmt man hierfür Pane Pugliese – ein italienisches Hartkrustenbrot. Dieses wird warm mit einer halbierten Knoblauchzehe eingerieben, anschließend mit kaltgepresstem Olivenöl beträufelt, gepfeffert, gesalzen und …”

Die Kellnerin verdrehte die Augen.

Sie müsse noch an andere Tische, erfuhr ich.

Sollte ich nun beleidigt sein?

“Selbst schuld”, sage ich mir, …

“… mit Schwarzwälder Kirsch wäre jede Abweichung geringer”.

Der fremde Klan

Putzig die Deutschen und deren Geselligkeit: Bei Feierlichkeiten wird erst Kaffee und Kuchen aufgetragen, später alles wieder abgeräumt. Dazu und zwischendurch gibt es Kaffee, Säfte, Wasser oder Sekt. Doch zwischen Kaffeetisch und einem Abendbrot aus Wurst, Käse und Bouletten klafft eine Lücke.

Schließlich wieder auch das Abendbrot abgetragen. Zum Schluss sitzt alles bei Wasser, Wein oder Bier mit Ohnewasdazu.

Zu den feierlichen Formalitäten der Deutschen gehört das ständige Anbieten – Willste noch ä Stücke Mooonkuchen? – was jedwede “normale” Konversation – oda lieba Streusel? – verhindert.

Jeder gibt sich Mühe – niemand hat’s gelernt.

Derweil man in Deutschland natürlich weiß, wie es bei den Russen lang geht: Die saufen nämlich dort immer nur [sic!] Wodka.

Doch das Unverständliche hat seinen Sinn: In der Ukraine oder in Russland wird deshalb das meiste gleich aufgetischt, damit später möglichst wenig die Konversationen stören kann. Nicht der süße Plemps ist Sinn einer Feier, sondern die Unterhaltung.

Russen sind ein Volk von Geselligkeitsprofis. Auch deren Trinksprüche haben ihren Sinn …

Jetzt fängt der schon widder damit an! 😦

Jedenfalls sind alle dick. Und wie es aussieht, kommt bei jede(m|r) jedes Jahr ein Kilo hinzu. Ich entdecke die Masse als Zeiteinheit – die Relativität der Relativitätstheorie.

“Sagmal, wie lange haben wir uns nun schon nicht gesehen? Ein oder zwei Kilo?”

~~~

So saß ich, dachte nach – und kam mir vor wie ein Kuckuckskind. Ist das wirklich meine Sippschaft? Verfügen wir wirklich über vergleichbares genetisches Material?

“… hatten wir uns damals 1000 Euro geborgt, weil wir umgezogen sind. Neulich ruft-er doch an und will wissen wann-er das Geld zurück kricht! *empörtguck* Wo er doch janz genau weeß, dass-ich inner Maßnahme bin. Und dass-wer vom Rejelsatz lehm. …”

“Kuckuckskind” passt, finde ich nun.

Coitus interruptus

Fast war es komisch: Ein Menschenpaar strebte im Babelsberger Park nach körperlicher Vereinigung, lief an etwas Gesträuch vorbei, über eine große Wiese, kam schließlich an ein stilles – wie es wohl irrtümlich vermutete – Örtchen und sexte los. Derweil sich neben jenem stillen Ort ein Weg befindet, welchen zahlreiche Menschen nutzen, um ihre Hunde spazieren zu führen.

“Etwas ist anders”, spürte mein Hund, eilte schnurstracks zum Ort des Geschehens und bellte heftig. So dass es zu deren Coitus interruptus kam – genau wie die Schlagzeile verspricht.

Heute weiß ich immer noch nicht, wie ich mich in einer Situation verhalten sollte verhalten will verhalten muss ~ in der mein Hund ein nacktes Paar anbellt. Bellt, bellt und nochmals bellt. Sich aus der Ferne nicht beruhigen lässt.

“Wie unangenehm das alles”, dachte ich nur. Und: “Deutsche sind schamlos!

Mein inneres Empfinden entspannte erst als eine Gruppe Südländer den Vorgang ebenfalls bemerkte und “fikki-fikki!” rief. Von da an war nämlich dem Paar mein Hund das geringste Übel.

~~~

Nichts ist doppelmoraliger als Sex in der Öffentlichkeit: Hat man es selbst gemacht, fühlt Mann sich als Held. Sieht man(n) es andere machen, ist es … äh … @? … @? … ~ zumindest unangenehm.

~~~

Nachtrag: Endlich finde ich den Grund, es “ekelig” finden und daher verurteilen zu können: Die beide sind zu alt für solche Sachen.

~~~

Mancher Mann glaubt doch tatsächlich, er könne mit einem gut-erigiertem Penis die Welt aus den Angeln heben – vergänglicher Irrtum.

Laras Ankünfte

So stehe ich also in der zweiten Reihe und kann nicht weg, derweil Laras iPhone noch im Flugmodus ist. Sie merkt wohl selbst, dass sie nicht anrufen kann. Versucht zu simsen und siehe da: Das Simsen funktioniert.

Im Flugmodus kann man also simsen?!

“Ich bin angekommen”, simst sie auf Russisch unter Verwendung kyrillischer Buchstaben. “Flugmodus” simse ich zurück, muss aber auf lateinische Buchstaben zurückgreifen, weil meine Nachrichten-App so eingestellt. Weshalb sie mir als Antwort drei Fragezeichen simst ~ –> Da ist mir die zu erwartende Strafe fürs Falschparken egal – ich gehe sie suchen. Und finde sie letztendlich am Auto, weil auch sie mich suchte, nur anders herum.

“Ja, ja, Verschiedenes passiert so …”

Vor 10 Jahren kam sie in Lichtenberg an. Und als sei es heute, kann ich mich an diesen Tag erinnern. Insbesondere seit jenem Moment, da ich, während ich mich am Alexanderplatz anhand von Aushängen orientierte, irrtümlicherweise für einen Ausländer gehalten wurde. Und als solcher auch angesprochen wurde:

“Wo – du – wollen – hin?”

Offenbar halten die Deutschen jeden Ausländer erst einmal für leicht bekloppt, weshalb sie wohl meinen, dass ein gewisses Blödmann-Deutsch besser verständlich sei. Dabei sieht man meist in gutmütige, freundlich-hilfsbereite Gesichter – der Deutsche denkt sich nichts dabei. Herabsetzung ist meist gut gemeint. Man ist nett.

Im Gegenzug wollte auch ich nicht enttäuschen, eine Hand wäscht die andere.

Mehr unbewusst als berechnend sagte ich daher “Lichtenbörrrg”, worin ich das “CH” natürlich nicht wie das “CH” von “Licht”, sondern wie das “CH” von “Nacht” aussprach.

Offenbar machte es dem Männlein Spaß, etwas zu erklären. Und müsst ich nicht wirklich nach Lichtenberg – er würde mir heute noch den Weg weisen.

“Müssen immer geradeaus!”