Der Iwan-Kupala-Orgasmus

Seit der Erfindung von Stalins Badezimmer plagen mich ketzerische Gedanken. Wie schön wäre es doch, selbst auch einmal einen Mythos entstehen zu lassen?! Einen, der sich in alle Lexika festsetzt, weil er wahr sein könnte, schön wahr. Und darüber hinaus erwünscht. Eine erwünschte Legende sozusagen.

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Am Anfang steht das Fake.

Einst schickte mir meine gute Freundin einen Artikel über die Berliner Karl-Marx-Allee, auf den die Wikipedia selbst Bezug nimmt:

… ergänzte ein anonymer Autor den Wikipedia-Artikel zur Karl-Marx-Allee um die Behauptung, die Straße sei zu DDR-Zeiten im Berliner Volksmund wegen der Fassadenfliesen auch als “Stalins Badezimmer” bezeichnet worden. Diese Bezeichnung griffen in der Folgezeit mehrere Medien auf und wiederholten, es handele sich um einen in der DDR gebräuchlichen Ausdruck. Ein Beleg für die tatsächliche Verwendung dieses Begriffes in der DDR konnte nicht gegeben werden. Nachdem ein Leserbriefschreiber in der Berliner Zeitung die Verbreitung dieses Ausdrucks im Volksmund bezweifelt hatte, gab ein Journalist dieses Blattes an, er habe die Formulierung “Stalins Badezimmer” erfunden und “als im Volksmund üblich” in diesen Wikipedia-Artikel eingefügt.

Es hätte aber auch so sein können. Wieviel ist Volk? Wie viele Münder hat ein Volksmund? Erwünschte Legenden sollten bleiben, wenn sie schön sind. Sonst bliebe uns nur eine schnöde Welt aus Fakten, ohne Fantasie.

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Demnächst – am 7. Juli 2013 – feiern “wir” den Iwan-Kupala-Tag. Ein Fest, dessen Name bereits verklärt: Der echte Heide feiert immer die Nacht.

Ursprünglich Fest der Sommersonnenwende, welches von der russisch-orthodoxen Kirche auf jeden 7. Juli verschoben wurde, um eine Verbindung zum angenommenen Geburtstag Johannes des Täufers zu konstruieren.

Vieles zum Ursprung des Festes und über den Namen ist nach wie vor umstritten. “Wissenschaftler nehmen an, dass neo-Heiden den Gott Kupala erfunden haben”, vermutet die Wikipedia.

Zukunft deuten

Wiedemauchsei: Die Iwan-Kupala-Nacht ist spektakuläres Fest. Viele Bräuche sind mit Wasser, Feuer, sich entfaltenden magischen Kräften der Pflanzen und Selbstreinigung verbunden. Es ist üblich, dass junge Frauen mit Kerzen bestückte geflochtene Blumenkränze in Flüsse niederlassen und anhand ihres Driftens im Wasser die eigene Zukunft ablesen. Und wer in der Iwan-Kupala-Nacht eine Farnblume findet, kann alle in der Erde verborgenen Schätze sehen.

Das Fest inspirierte bereits Literatur – Nikolai Gogol: “Der Abend von Iwan Kupala” – und Musik – Modest Mussorgski: “Eine Nacht auf dem kahlen Berge” – warum also nicht auch einen Blog?

Wer sich in der Iwan-Kupala-Nacht gegenseitig mit süßer Schokolade einreibt, könnte den Sex seines Lebens haben.