Das Kommunikationsmissverständnis

„Tach schön!“, sagt der Nachbar und ich spüre prompt, dass etwas in der Luft liegt.

„Tach schön!“, antworte ich freundlich. Glaube, dass ein Lächeln zu meiner aufgesetzten Freundlichkeit passen könnte, doch dies – spüre ich – gerät mir zum Grinsen. Zum blöden Kunstgrinsen. Irgendwas ist heute anders.

„Und? …“, fragt der Nachbar nun.

„Und?“, wiederhole ich. Doch dies ist ein anderes Und als das Und des Nachbarn. Dessen Und sagt nämlich „Komm, rücke raus mit der Sprache!“ derweil mein Und fragt: „Was soll dein Und?“

„… Alles okay?“

Genug gepokert, ich will sehen. Mit „warum fragst du so komisch?“ gehe ich daher in die Offensive und erfahre, dass die Nachbarn und die Nachbarn der Nachbarn heute Nacht meine Frau hörten.

Ich bin erleichtert. Nun ist alles klar und ich kann aufklären:

„Sie hat heute Nacht geskypt. Mit ihrer Freundin in Amerika…“

Ukrainerinnen scheinen zu glauben, dass bei großen Entfernungen Wort, Worte, Wörter, Satz oder Sätze dem anderen Rezipienten besser verständlich seien, wenn alles gebrüllt wird. Das Volumen der Lautstärke direkt proportional zur vermuteten Entfernung.

Der Nachbar ist nun ebenfalls erleichtert – niemand würde misshandelt.

„Und“, fällt ihm ergänzend dazu ein, „die Russin aus Nummer 25 brüllt auch immer so, wenn sie telefoniert.“

Nun können wir uns entspannt – gegenseitig – einen guten Tag wünschen.

Zentren für Kundendienst mit Peitsche 

Wer in Potsdam mit einer x-beliebigen Straßenbahn durchs Zentrum fährt, hat zweimal die Gelegenheit an einem der „Whip Customer Service Center“ vorbei zu fahren. Lautsprecher weisen auf Halbenglisch darauf hin, digitalisiert „vom Band“ 😉 

Leider fehlt der Mensch, zu dem man gehen könnte um zu sagen, dass „Whip“ ins Deutsche übersetzt – eigentlich – „Peitsche“ bedeutet und:

„Was Sie sagen wollen muss wie Ei Pie ausgesprochen werden.“

„VIP“ soll bestimmt ein pfiffiges Wortspiel sein. Einerseits sollen die „Verkehrsbetriebe In Potsdam“ VIP abgekürzt werden, damit die Costumer beim Abkürzen an „very importent Persons“ denken. Sie sollen wohl glauben, sie seien superwichtige Personen.

Was heute „Whip Customer Service Center“ heißt, war früher ein ganz normaler Fahrkartenschalter – und in Wirklichkeit sind die Center dies auch. Außer dem Namen hat sich nichts geändert. Nomen ist nicht immer Omen. Und das Personal ist ebenso unfreundlich wie zu Zeiten der Stagnation. Für Auskünfte fehlt denen offenbar die Zeit oder Lust, derweil wir Kunden uns im Service Center auf Zeitreise begeben. 

„Wie unter Erich“ sagte neulich eine Customerin zu einer anderen und ich finde seither, dass „Whip“ in eines der noch zu erfindenden Wortspiele passen müsste.

Beim Lesen fällt mir auf: Die Ansage ist auch dann Quatsch, wenn die Whip Center normale Namen hätten. Derjenige, der sie hört, sollte einen Fahrschein haben. Derjenige der einen Fahrschein hat, hat ihn bereits gekauft und braucht wahrscheinlich keinen Hinweis darauf, wo er ihn hätte ebenfalls auch kaufen können.

Ich spinne. Stelle mir vor, ein Potsdamer wird von einem Sachsen angesprochen –

„‚Tschuldigung. Gennen Se mor saren, wo hier das Whip Gastommer Service Senter is?“

– und lache in mich hinein.

Gutes Wetter und Erinnerung an die Kindheit

Gestern flog mir ein Marienkäfer auf den Handrücken und ich dachte gleich: „Donnerwetter! – Es gibt sie also doch noch.“ 

Die Eltern nannten solche Käfer „Motschekiepchen“, wir Kinder sammelten sie in Streichholzschachteln aus Riesa. Irgendeine Punktekonstellation auf den Flügeln sollte Glück bringen oder uns das Alter der Käfer verraten.

*grübel*

Wenn es also Marienkäfer noch gibt – ~ – dann könnte vielleicht auch sein, dass Maikäfer noch nicht vollends ausgestorben sind. Die gab es einst massenhaft bei uns und bei Max und Moritz.

~

Im ARD- oder ZDF-Morgenmagazin werden derzeit Mai-Gedichte vorgetragen. Erst eines von Möricke, zu dem die Moderatoren extra zufügen, dass dies einst ein deutscher Dichter war. Dann folgt ein Maigedicht von Wilhelm Busch. Ich selbst, mit anderen Dingen beschäftigt, erfahre das TV-Programm wie ein Hintergrundbild. Bis ein Moderator zu den anderen sagt: „Früher war es im Mai kälter.“

Stimmt! Nicht nur im Mai, fällt mir prompt hierzu ein, auch an Ostern.

„… Der alte Winter, in seiner Schwäche / zog sich in rauhe Berge zurück. Von dort her sendet er, fliehend, nur / ohnmächtige Schauer körnigen Eises / in Streifen über die grünende Flur. …“

Odersoähnlich. 

Winter adè – Scheiden tut weh. Früher war die Welt in Ordnung. Heute bringen genmanipulierte vierblättrige Kleeblätter das Glück. 

Oder – vielleicht – freifliegende Marienkäfer, wie der, der heute auf meinem Handrücken landete.

Die Momentanverbrauchsanzeige der Deutschen Telekom

2202. 📞…📞

„… Und im Übrigen kostet die neue Family-Card nicht mehr 19,95 Euro, sondern 24,95 Euro. Dafür kann man aber auch aus  den Netzen der Europäischen Gemeinschaft flat telefonieren. …“

Was wir natürlich nicht brauchen. Viel zu selten halten wir uns in Brüssel, Paris oder Rom auf – uns genügt Berlin. Und wollen wir fernes Ausland, können wir jederzeit nach Dresden fahren. In eine Stadt, die uns aufgrund der sonderbaren Verhaltensmuster der Eingebohrenen immer fremder wird.

Jedenfalls bietet uns die Deutsche Telekom inzwischen eine Menge unnützer Dinge „dazu“, die man stets mitzuzahlen hat. Obmanwillodernicht. Zum Beispiel gibt es für einen Internetanschluss drei [sic!] Festnetzanschlüsse, für zwei Personen, die jeweils ausschließlich mit Smartphone telefonieren. Dazu gibt es „kostenfreie“ SMS-Flat. 

Wer simst heute noch?

Eingefleischte Russen bemerken Stellen wie dieser, dass es für eine solche Situation einen Witz gibt und mansch Kenner der ostdeutschen Stagnationsperiode erinnert sich an den PKW, Marke Trabant. Zu Beginn der Achtziger Jahre wurden für das „Auto“ zahlreiche „Extras“ eingeführt. 

Das kurioseste Extra war die offiziell so genannte „Momentanverbrauchsanzeige“, von den Trabbi-Besitzern auch „Mäusekino“ genannt. Immer wenn ein Trabbifahrer Gas gab, leuchteten kleine Lämpchen und es könnte sehen, wer es nicht spürte oder nicht hörte: Der Fahrer gibt Gas! Unnötig – aber hübsch teuer. So hatte mein erster Trabant – ich bin wirklich schon so alt! – einen Grundpreis von 8.450 Mark und dank Sachsenring-Extras kam dieser auf 14.694 Mark (der DDR). 

„Hegel bemerkt irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce. Caussidière für Danton, Louis Blanc für Robespierre, die Montagne von 1848-1851 für die Montagne von 1793-1795, der Neffe für den Onkel. Und dieselbe Karikatur in den Umständen, unter denen die zweite Auflage des achtzehnten Brumaire herausgegeben wird!“ – Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte (1852). MEW 8, S. 115

Reziproke Hoffnung

Lichtenberg. Besteige S-Bahn.

Nöldnerplatz. Ich bemerke, dass ich vergaß, den Fahrschein abzustempeln. Und prompt meldet sich eine innere Stimme: 

„Hoffentlich kommen jetzt keine Kontrolleure; hoffentlich kommen jetzt keine Kontrolleure; hoffentlich…. „

Ostkreuz. Ich raus, sprinte zu einem roten Kasten, entwerte Fahrschein – und schaffe es rechtzeitig zurück, in den selben S-Bahn-Wagen.

*innere Ruhe* 

Zoologischer Garten. Die innere Stimme meldet sich erneut:

„Gibt es denn etwa in Berlin keine Kontrolleure mehr?“ 

Das Lanz-Wagenknecht-Dilemma

Es ist zum Grinsen: Wenn er sie ausreden lässt, kommt er selbst nicht zu Wort. Unterbricht er sie, empört sich die Community. 

Lanz wirkt stets nur halbwissend. Mit Karteikarteninfos, wohl durch eine Redaktion erstellt. Und er ist – wie es scheint – bildungsfern oder von nur mittelmässiger Intelligenz. Wofür er sicher nichts kann – und niemand sollte wegen Doofheit gehänselt werden. 

Für Doofheit kann man selbst nix. Wie für den Namen der Familie…

„Heißen Sie eigentlich Lafontaine? Wagenknecht-Lafontaine? ~ [ACHTUNG BRÜLLER!] ~ Na-ja, Wagenknecht ist ja bereits ein Doppelname.“

Klar: Irgenwann vögelte eine Frau Wagen den eigenen Knecht und deren Kind heißt seither Wagenknecht.

Markus Lanz sollte besser die Lottozahlen moderieren. 

Oder unzerstörbare Formate, wie „Wetten dass…“. 

Das Paket-Missverständnis

Der Bote gab ein Paket für die Nachbarn ab und legte einen entsprechenden Hinweis in den Briefkasten der Nachbarn. Dieser begegnete meiner Frau und ward von ihr angesprochen. 

„Wir haben Ihr Paket entgegen genommen“, sagte sie, händigte es ihm aus und begab sich anschließend zum Friseur.

Wenig später kam ich nach Hause, ohne diesen Vorgang zu kennen. Und wiederum etwas später kam die Nachbarin, die den Postboten-Hinweiszettel im Briefkasten fand.

*klingelt*

Sie so: „Wir haben ein Paket bekommen.“

Ich so: „Wie schön für Sie!“

Aphoristische Trivia, aber kein Plagiat 

„The past is never dead. It’s not even past.“

So schrieb es ein gewisser Faulkner, ein Nobelpreisträger für Literatur, in seinem Roman „Requiem for a Nun“ (1. Akt 3. Szene), welcher 1951 erschien. 

Diese beiden Sätze würde ich mit meinen eher bescheidenen Englischkenntnissen mit „Die Vergangenheit ist niemals tot. Sie ist noch nicht vergangen.“ übersetzen, wenn es keine Übersetzung gebe. 

Deutlich besser gefällt mir „Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen“, der erste Satz der „Kindheitsmuster“.

Ein Plagiat?

„Nee – Unsinn!“ sage ich mir, denn EIGENTLICH ist die Aussage an sich banal und wird erst durch beigefügte Gedanken zum Aphorismus. Auf jeden Fall stimmt es: The Past ist wirklich niemals dead. The Past lebt in uns, wie dieser Satz höchstselbst. Was mir im Übrigen nur deshalb bewußt ward, da auch ich mich anschickte, eine eigene Überlegung mit dem Sätzen „Das Vergangene ist nicht tot …“ zu beginnen, um prompt: 

„HUCH! – Das habe ich doch schon irgendwo anders gelesen!“ zu denken. 

Googleseidank fand ich diesen Satz bei der belesenen Christa Wolf, welche ihn – vielleicht/wahrscheinlich – ebenfalls ständig in sich trug, aber in Ermangelung einer neuartigen Suchmaschine nicht finden konnte woher. Und sich nun post mortem des Vorwurfes fehlender Quellangabe ausgesetzt sieht.

DAS VERGANGENE IST NICHT TOT; ES IST NICHT EINMAL VERGANGEN.

Ich entdeckte den selben Satz zufällig. Wahrscheinlich in dem Moment, da sich mein Hund in einen alten Fisch wälzte, um von seinem eigenen Geruch abzulenken, ohne wissen zu können, was eine Jagd ist; ohne Not, Beute machen zu müssen wie  einst seine Ahnen, die Wölfe. Putzig auch wie der Chiawawa-Dackel-Mix mit Urin das Terrain markiert, wie er seine Konkurenten verbellt – it`s not even past, es ist alles wie früher.

Ein Satz zu drei Geschichten.

Die vierte Vermutung, über die ich derzeit nachdenke: Warum soll was auf Hunde passt, nicht auch für Menschen gültig sein? Niemand geht in eine Arena, um Eishockey nur „zu sehen“, das hätte man auf Servus-TV oder demnächst im Entertaine-Paket der Telekom bequemer.

Vielmehr scheint mir das Treiben bei einer Jagd im menschlichen Hormonsystem archiviert. … Es ist das Bedürfnis nach Interaktion, was die Leute zu Dauerkartenbesitzern macht. …

Inflation durch Verfügbarkeit

Wenn zuviel Rohöl auf dem Markt ist, fällt der Preis. Was – selbstverständlich – auch für jede andere Ware gilt. Gäbe es Gold wie Sand am Meer, würden Gold- und Sandpreis sich decken, zumindest so lange bis entweder Gold oder Sand knapp werden würden. Oder in Erwartung dessen …  – Anyway: Meine Tochter findet Spontify gut. Derweil ich alter Knacker immer noch meine Musik kaufe. Stück für Stück und wohlüberlegt.

Einmal pro Woche downloade ich mir ein musikalisches Stück, dessen Preis jeweils zwischen 0,69 Euro und 1,26 Euro liegt. Wohlüberlegt, jede Woche ein anderes Genre, gern auch aktuelle Songs oder Sonderheiten, wie Bossanova, Cool Jazz, Russich-Rap, Heavy Classic usw., komme so auf 5 oder 6 Euro pro Monat UND FREUE MICH DARÜBER. Höre es gern – es ist meins! Zumindest für das eine Moment. Mangel schafft Wert.

So diskutierten wir am letzten gemeinsamen Urlaubstag bis in die Nacht hinein und konnten uns nicht überzeugen, weil jeder – natürlich – auf seinen Standpunkt beharrte.

Seit heute gibt es Apple Musik – was für ein Konflikt!

Wäre da nicht die Diskussion mit der Tochter gewesen, hätte ich – der Apple-Fan – mich bereits bedenken- und bewusst gedankenlos für ein Apple-Music-Probeabo angemeldet. Kostet später schließlich nur 9,99 Euro/Monat.

Doch meine eigenen Argumente lassen dies nicht zu.

Wenn ich demnächst meine Meinung ändern werde, sollte es wenigstens schön sein.