Paradigmenwechsel

24. Tag

Ich sehe Leute mit Zigarette stehen und denke:

<mitleid>

“OMG! Die armen Menschen! Dieser Teer, dieser Unrat – für ein im Übrigen zweifelhaftes Vergnügen! Diese Selbstzerstörer, diese armen Schweine!”

</mitleid>

Denke aber auch: “es ist noch gar nicht so lange her, da habe ich selbst geraucht, insbesondere Zigaretten”, lege mich daher fest: “ich werde Rauchern gegenüber immer tolerant sein” und weiß darüber hinaus: ich bin von Natur aus nett.

WENN MIR ABA EENER QUALM INS JESICHT BLÄST, KÖNNT’ ICH BLEEDE WERN DAROB! BLEEDE UN GROB!

Ukrainische Taxifahrt

Meist ist man Ausländer, überall. Und in der Ukraine Deutscher zu sein, ist fast ebenso putzig wie als (vermuteter) Russe in Deutschland.

Im Februar 2006 notierte ich in mein Kiewer Tagebuch:


Jedenfalls schien der gestrige Schwarz-Taxi-Fahrer froh gewesen zu sein, mich – den Deutschen – endlich einmal für eine Fahrt zu erwischen.

Mit „ich weiß, dass sie Deutscher sind“ ward ich begrüßt und anschließend kam ich nicht mehr zu Wort.

“Ihr [sic!] habt damals alles falsch gemacht, im Krieg. Moskau hättet ihr links liegen lassen sollen, Stalingrad rechts. Dann rein bis nach Asien, festsetzen, später erst Lenin- und Stalingrad nehmen und erst zum Schluss Moskau. Und überhaupt wäre es besser gewesen, wenn sich beim Rückzug die SS hinter die Wehrmacht gesetzt hätte, wie der KGB hinter die Rote Armee. Dann – wenn einer zurückweicht – Bum bum bum!”

Das Taxilenkrad hatte sich inzwischen in ein schweres Maschinengewehr verwandelt und bei Bum-bum-bum wackelt der Fahrer am Rad, um den Rückschlag zu demonstrieren.

Jeder Ausländer hat Ratschläge zu ertragen. Die meisten davon sind dumm.

Unglückbringende Anramschung

Wahrscheinlich ist das Anhäufen von Ramsch einer der vielen untauglichen Versuche, Gefühle zu materialisieren und Materie vererbbar zu machen – der Ewigkeitsirrtum – der allesentscheidende genetische Defekt, welcher Lebewesen zu Menschen machte und der sie zwingt, die eigenen Lebensgrundlage zu zerstören.

Die Tochter denkt über eine Eigentumswohnung nach, Lara will eine neue Küche und ich bin der Mann und sehe mich Handwerker-Angeboten ausgesetzt, die schon allein deshalb beleidigend sind, weil man mich wohl für ausländerblöd zu halten scheint.

Der Witz von allem: Eigentlich brauchen wir NUR einen neuen Herd, aber bei der Gelegenheit kann man sich ja auch eine neue Spülmaschine, eine Waschmaschine, Laminat, Fliesen, Steckdosen – … – Schrums und Mumps dazu kaufen.

Ich sehe Dreck und Lärm auf mich zukommen und bin unglücklich. DAS MEISTE VON DEM, WAS MIR BEVOR STEHT, IST VERLORENE LEBENSZEIT.

Es war der Zaun, der Menschen aus ihren Paradiesen trieb, nicht der Apfel. Adams Sohn baute sich einen Zaun und rief “Meins!” und seither wird aufgerüstet bis zum Untergang. Jede Generation toppt ihre Vorgänger. Für Ramsch ist uns jedes Mittel recht und wenn es vorbei ist, wenn endlich die blöde Küche installiert ist, ist ein neues Auto fällig.

Willkommen im Hamsterrad!

Welch Glück, dass man nichts mitnehmen kann. Die Ewigkeit wäre längst zugeramscht mit lauter Nutzlosigkeiten.

*seufz* Heute ist wieder einmal nicht mein Tag. *seufz*

Zwei Kilo Selbstkritik

Unaufgefordert brachte ich schließlich den Müll runter, rumpelte intensiv den Backherd sauber, machte uns schließlich Kaffee – bis sie endlich das Geschehen um die ukrainische Hymne anderweitig relativierte. – „Eigentlich war es gestern so wie immer.“

Wissen ist Macht, Macht macht erotisch …

Für die Zurschaustellung von Wissen fällt mir plötzlich das Gleichnis von der Penislänge ein und ich erröte voller Scham.

„So wie immer, muss es nicht bleiben“, sage ich daher und formuliere den zugehörigen Vorsatz für 2014: Es reicht nämlich wenn ICH weiß, was ich weiß – für alles andere gibt es ein Internet.

 

Das Kommunikationsdilemma

Gute Filme sind sehr nachhaltig und ich bin heute verkatert.

Heute denke ich nach und weiß vorerst noch nicht, wieso mir gerade jetzt der 1943er Münchhausen-Film einfällt (Der mit Hans Albers in der Hauptrolle).

münchhausen1943Die Handlung dieses Münchhausen-Films (Drehbuch Erich Kästner) weicht von der literarischen Vorlage ab. In diesem Film warnt Baron Münchhausen den Zauberer Cagliostro vor einer drohenden Verhaftung und erhält dafür die ewige Jugend.

Der reiche Lohn gerät zum Dilemma: Münchhausen bemerkt sehr bald, dass ewige Jugend nicht viel nützt, wenn man allein damit ausgestattet ist. Wenn nämlich alles, was lieb und teuer ist – wie die geliebte Frau, wie der Freundeskreis, wie die Gesellschaft an sich – einfach so vor sich hin altert, wie es ja auch seine Richtigkeit hat.

Schließlich hat der Film-Baron seine ewige Jugend satt, gibt diese freiwillig zurück, altert schlagartig und wird endlich glücklich. Nun endlich kann er mit seiner Frau alt werden und ich weiß jetzt – gottseidank – wieso mir diese Film einfällt.

Die Themen der Anderen sind andere Themen. In meinem Alter gibt es nur wenige Nerds – dafür aber zich Krankheiten, zahlreiche Klassentreffen und langweilige Geschichten. Wie die von damals, als die linkselbischen Gebiete noch nicht “dazu” gehörten und jede Bockwurscht nur 85 Pfennje kostete. Derer Zeitrechnung: vor der Wende – nach der Wende, gute Zeiten – schlechte Zeiten.

Irgendwann wird man mit ewiger Jugend zum einzigen Menschen mit Telefon: Man könnte zwar kommunizieren, kann es aber nicht.

Niemand nimmt den Hörer ab.

Jedenfalls bin ich ziemlich verkatert, gleichwohl glücklich, Nichtraucher zu sein, (omg! wie hat man früher nach solchen Suff-Exzessen gestunken!) und getragen von der großen Sehnsucht, endlich auch einmal mitwinseln zu können. Wann werde ich endlich einmal von Hämorriden geplagt?!

Heilfasten

Es ist wieder soweit – ich wiege viel zu viel. Wieder einmal.

Nach der Waage zu urteilen, sind es 6 Kilo, die runter müssen. Hinzu werde ich Minus 4 Kilo fügen, fakultativ – und dann sollte es mir eigentlich besser gehen.

Die Bilder des Tages kommen heute von Olga Gromova:

fasten

—-

Hier wird eines Tages ein schöner Spruch stehen.

Second Live

(Grenzlandnotizen)

Man sieht förmlich die Diskutanten um einen virtuellen Beamer gruppiert. Schaubilder werden an die Wand geworfen ….

Asterisk für meine Enkel: Jeder Beamer hieß einmal „Projektor“, außer dem Tageslichtprojektor, denn der wurde entweder „Polylux“ oder „Overhead“ genannt. Je nachdem, ob man Bilder links oder rechts der Elbe projizierte.

… Bedauern geheuchelt.

Derweil Blogger S eine uralte Erfahrung abhakt. Es geht nicht darum, eine Meinung zu sagen, sondern Meinungen zu hören, die man nicht gesagt hat. Jeder findet im Geschriebenen meist nur, was er lesen will, jeder interpretiert, jeder ist Mensch. Was im Übrigen ebenfalls nicht schlimm ist.

Bedauerlich wird es, wenn die hierauf folgende Selbstzensur sich vor dem Schreiben im Kopf breit macht, aka: Wen-de das so schreibst, wird es garantiert missverstanden, schreibst du es anders – auch.

Parallel dazu ereignete sich ein weiterer Schreck: Als die Firma Microsoft anbot, einen ollen muffigen Hotmail-Account auf outlook.com upzugrade und ich dies aus Neugier auch tat, tauchten irgendwoher plötzlich Dateien und Fotos auf, von denen ich bis dato sicher² (oder sogar sicher³) war, dass ich dieses Material schon im Jahre 2006 entsorgt hatte. Fürimmerundewig.

Klar wissen wir alles – aber nicht alles ist uns bewusst.

So lasse ich das Grenzland und mich im Second Live beerdigen. Und komme wieder als jemand wahrhaft-anderes. Wer einst die Qual hatte, hat nun die Wahl. Puzzle für Puzzle wird zusammengesetzt. Ich darf nicht wie ich sein und sollte es aber doch.

Der neue ICH ist ein Hetero, hat aber bereits einen Namen, zwei E-Mail-Adressen, ein Geburtsdatum, einen Geburtsort, eine Frau, eine Apple-ID und – nota bene! – einen Follower bei Twitter, obwohl noch kein Tweet abgesendet.

Und ab 1.5.2013 wird ICH auch einen Blog haben.

Ein Beruf ist bald bestimmt, doch am schwierigsten scheint die Wohnsitzname. An der erstgewählten Adresse fuhr ich zufällig mit der Tram vorbei – Nee! Hier will ICH nicht wohnen. Die zweite Wahl war im Babelsberger Park und die wiederum hielt ICH für versnobt, für zu angeberisch. So bestimmte ICH erst einmal die Hausnummer – eine „37“ soll es sein! – und suche die Straße nach Persönlichkeit UND FINDE ES ABSOLUT BEDAUERLICH; DASS ES IN POTSDAM KEINE PROFESSOR-SCHRÖDINGER-STRASSE GIBT.

Was mir, ich und ICH allerdings auch πp-egal sein könnte.

Die neue To-Do-App

… das Leben besser zu planen, um es abhaken zu können.

Als solches wird „das Leben“ zwar durch Aktionismus nie besser oder schlechter, aber – so raten die Journale – mit einer To-Do-Liste könne man die Übersicht behalten. Und darüber hinaus auch noch den Willen stärken.

 

Mein liebes kleines Tagebuch,

heute ist bereits der 1. März. Gestern habe ich mir wieder einmal vorgenommen, das anstehende Leben – oder besser: den Rest davon – besser zu planen. Um es abhaken zu können.

Als solches wird “das Leben” zwar durch Aktionismus nie besser oder schlechter, aber vielleicht könnte man mit einer To-Do-Liste die Übersicht behalten? Und darüber hinaus hiermit den Willen stärken.

So pumpte ich mir eine To-Do-App aus dem App-Store und fing an, sie zu konfigurieren: Den Hefter schwarz, das Papier grau, die Buchstütze silbern, die Binderinge dunkel. Die Aufgaben sollten nach Fälligkeit sortiert werden, nicht nach Priorität, und die Synchronisierung sollte bei Start erfo… @! … @&$…§@ … @? –> …

Eine ganze Stunde war ich beschäftigt. Siehe da:

2013-03-01-06-38-56

Keine Aufgaben“ – na Toll! Dann hätte ich mir die ganze Arbeit ja auch auch sparen können.