Russische Betriebswirtschaft

Er so:

“Wir könnten ein Darlehen gut gebrauchen …”

Ich so:

“Glaubst du wirklich, dass euch jemand Geld schenken wird?”

Der klassische Insidergag, denn das zugehörige russische Sprichwort lautet: “Geld gibt nur zurück, wer Feigling ist, dazu gezwungen wird, oder der einer, der sich frisches Geld zu borgen beabsichtigt.”

Die Karikatur von Dima Trofimow ist ähnlichen Inhalts:

Darlehen

Titel des Buches: “Wie man einen Kredit abgibt”
Untertitel: “101 Methoden”.

“Ja habt ihr denn DAS ALLES einmal durchgerechnet? Kennt ihr den break-even point? Die Gewinnschwelle? Den точка безубыточности? – Und überhaupt: Sollten wir uns nicht erst einmal einen Plan machen?”

Das berühmte Feynman-Zitat“* spendet mir wenig Trost.

Man staune und lerne:

“Erst [sic!] müssen wir Gewinn machen. Davon können wir dann die Lagerkosten und das Benzin bezahlen. Auch die Branntweinsteuer. Etwas sollten wir uns dann teilen. Und wenn wir irgendwann genug verdient haben, können wir so viele Pläne machen, wie wir wollen.”

Nun bin ich sogar neugierig, was davon geht.

~~~

* Das Feynman-Zitat:

“Victory usually goes to those green enough to underestimate the monumental hurdles they are facing.”

Die iterative Erfindung des Rades

Oder: Die Welt erklärt in Witzen.

feuersteinStoney Curtis sitzt an einem Felsen-Schreibtisch der Steinzeit und grübelt, grübelt und grübelt, um endlich das Rad zu erfinden. Da ertönt plötzlich von Weitem das berühmte “Yabba Dabba Doo!”.

Angefahren – UND ZWAR ZWEIRÄDRIG! – kommen Fred Feuerstein und Barney Geröllheimer. Stoney guckt hoch und sieht zwei Räder – ein dummes Gefühl.

~

Jedenfalls war eine meiner ersten Ideen, Wodka wie Senf in Gläser abzufüllen. Exakt russischem Standard – 100 Gramm. Einem der Vorschläge der Mendelejew’schen Doktorarbeit folgend. 100grammDoch siehe da: Andere sind genauso schlau. Wodka in 100-Gramm-Gläsern gibt es bereits.

“Partisan” als Markenname, die Homepage, das Design – alles exakt so, wie ich es gemacht hätte, hätte ich es gemacht.

Zumal “Partisan” mehrfach symbolisch ist, denn man hat eigentlich nur als Partisan eine Chance in einen fest abgesteckten Markt zu dringen. In einem Land, in welchem Wodka nun einmal nicht zu den Grundnahrungsmitteln gehört.

Cool die Werbung:

Cool das Image-Video:

Garniert mit der Erklärung der Bräuche:

In Russland gelten vielerlei ungeschriebene Gesetze. Für alle Freunde des Wodkas ist es demnach gut, ein paar wichtige zu kennen.

1. Alleine trinkt nur der Alkoholiker.

2. Selbst zwei, die anstoßen, ist  einer zu wenig.

3. Männer nippen nicht! Entweder Du leerst Dein Schnapsglas in einem einzigen Zug – oder gar nicht.

4. Vodka von russischem Boden trinkst Du in Reinform! Nebenbei ein Glas Wasser oder einen Schluck Saft sind verzeihlich, aber verfälsche Deinen echt russischen Vodka niemals durch Mixen!

5. Serviere Deinen Gästen „Sakuskas” zu ihrem Vodka! Sakuskas sind kalte und warme Häppchen. 
Dazu zählt von sauer eingelegtem Gemüse über Fisch mit Zwiebeln, gebratene Auberginen bis hin zu Speck mit Knoblauch alles, was das russische Herz höher schlagen lässt.

Mehr gibt es hier: http://www.partisan-vodka.de/

Die Macher sind offenbar cool und ich bin a bissel neidisch. Daher merke ich an: Es fehlt noch ein kleines Tier – ein kleiner Braunbär vielleicht – der sich immer und überall versteckt. UND: WODKA SCHREIBT MAN MIT “W” UND NICHT MIT “V” – ihr blöden Legastheniker, ihr!

Der russische Koeffizient

Der russische Übertreibungskoeffizient auf mindestens 5. Also fünffach ist der Faktor, der zu einer bestimmten Darstellung einer Variable oder Basisvektor gehört. Was entweder der hundertjährigen Propaganda geschuldet …

– SLAWA! –

… oder Wesensbestandteil der russischen Seele ist.

Jeder Russe ist auch ein mentaler Pfau.

Jedenfalls … – so wie er es erzählte klang es anfangs, als sei er der Mitbesitzer der größten weißrussischen Schnapsbrennerei. Dies hinterfragt, bedeutet: er verscherbelt auf Provisionsbasis – “на комиссионной основе” – Wodka. Als selbständiger Handelsvertreter.

Was ihn natürlich nicht hindert, die größten Geschäfte anzudenken – immerhin sei der weißrussische Wodka extrem billig und ließe sich eigentlich auch gut verkaufen ~ wenn ~ wenn ~ wenn man einmal die deutsche Branntweinsteuer außen vor lasse …

“… und die Umsatzsteuer auf die Branntweinsteuer.”

Ich bin fies. Habe wieder einmal eine Nadel in der Hand und pieke in seinen Luftballon.

Aber was wahr ist ist wahr: Auf die Branntweinsteuer wird in Deutschland tatsächlich nochmals Umsatzsteuer erhoben. Das skurrile Rechtskonstrukt “Steuer auf Steuer” – gibt es das andernorts auch?

Egal.

Victory usually goes to those green enough to underestimate the monumental hurdles they are facing. (Richard Feynman)

Intuitiver Wodkavertrieb

Ob ich nicht helfen könne, bittet mich ein guter Bekannter mit Migrationshintergrund. Er und sein Freundeskreis haben bereits seit einigen Wochen die großartige Idee, Wodka in Deutschland zu vertreiben, und …

“…du könntest uns dabei gut helfen – du sprichst Deutsch.”

Klar – wenn das kein Grund ist, gäbe es nie einen anderen.

Dergestalt befragt, sage ich weise “hmmm”, gucke betont kritisch und wende ein, dass Wodka in Deutschland nicht unbedingt zu den Grundnahrungsmitteln gehört.

Zugleich versuche ich den Deal genauer zu hinterfragen.

“Was ist das Besondere an deinem Wodka? Weshalb – glaubst du – sollen die Menschen diesen Wodka kaufen und keinen anderen?”

Offenbar hat er so genau darüber noch nicht nachgedacht. Überlegt einige Zeit, bis er zwei Gründe findet:

Erstens sei die Qualität sehr gut. Letzten Dienstag haben sich einige Jungs die Rübe zugedröhnt und erwachten am folgenden Mittwoch trotzdem ohne Kopfschmerz.

! Wodkaqualität definiert sich stets über das Verhältnis von Freude davor zu Schmerz danach !

Zweitens stimme der Preis. “Wir” kämen auf einen Einstand von 2,20 Euro auf den halben Liter, könnten demnach die Pulle für 2,99 Euro verkaufen und würden “uns” somit dumm und dämlich verdienen.*

Was mir als Information genügen sollte.

Wenn Russen über ein anstehendes Geschäft reden, geschieht dies oft in einer Mischung aus eigener Unwissenheit und Großkotz. Was mich allerdings nicht hindert, helfen zu wollen. So doziere ich über Markenführung, Differenzierung, erkläre Kategorien wie “Claim” und mache erste Vorschläge zur Umbenennung:

“Peacemaker” wäre doch hübsch? Oder “Russenfrühstück” Zwinkerndes Smiley … ~ … ~

Jedenfalls müsse es nun darum gehen, die zukünftige Marke zu kommunizieren. Wodka ist der Schlüssel zur Tiefe der Russischen Seele, daher sollte auf den Etiketten Trinksprüche zu finden sein, nach dem Zufallsprinzip …

“Внимание! Родился нежный и лирический тост.”**

Smiley

Oder-oder-oder: QR-Codes auf jeder Pulle!

“Du scannst es ein und auf deinem Handy erscheint vielleicht: Если мы будем продвигаться такими темпами, то лично я на аэродром не попадаю.”***

Smiley

Ich bin überhaupt nicht aufzuhalten, mein Vortrag gerät zur Show. Bald – weiß ich schon – werde ich abheben.

“You look at any giant corporation, and I mean the biggies, and they all started with a guy with an idea, doing it well.” (Irvine Robbins)

Mitten im Ready-for-Takeoff werde ich unterbrochen:

“Wirst du mir helfen, Wodka zu verkaufen? Oder nicht?”

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* Metamorphose: Anfangs waren es “sie”, denen “ich” helfen sollte, erst gegen Ende der Diskussion waren wir “wir”.

** Aus Ironie des Schicksals: “Achtung! Soeben wurde ein bescheidener lyrischer Trinkspruch geboren.”

*** Ebenda: “Wenn wir uns weiter in sochem Tempo bewegen, gelange ich persönlich nicht mehr zum Flughafen.” (Insidergag)