Sozialverhalten reloaded

15. Tag

Einmal ein Gleichnis entdeckt, sieht man es immer wieder.

Zum Beispiel gibt es “Rapunzel”. Vor ziemlich genau 200 Jahren – 1812 – notierten die Brüder Grimm:

“… konnten sie in den Garten einer Fee sehen, der voll von Blumen und Kräutern stand, allerlei Art, keiner aber durfte es wagen, in den Garten hineinzugehen. Eines Tages stand die Frau an diesem Fenster und sah hinab, da erblickte sie wunderschöne Rapunzeln auf einem Beet und wurde so lüstern darnach, und wußte doch, daß sie keine davon bekommen konnte, daß sie ganz abfiel und elend wurde. Ihr Mann erschrack endlich und fragte nach der Ursache; „ach wenn ich keine von den Rapunzeln aus dem Garten hinter unserm Haus zu essen kriege, so muß ich sterben.“ Der Mann, welcher sie gar lieb hatte, dachte, es mag kosten was es will, so willst du ihr doch welche schaffen, stieg eines Abends über die hohe Mauer und stach in aller Eile eine Hand voll Rapunzeln aus, die er seiner Frau brachte. Die Frau machte sich sogleich Salat daraus, und aß sie in vollem Heißhunger auf. Sie hatten ihr aber so gut, so gut geschmeckt, daß sie den andern Tag noch dreimal soviel Lust bekam. Der Mann sah wohl, daß keine Ruh wäre, also stieg er noch einmal in den Garten …”

Die hohe Mauer steht heute noch, in Gestalt von Regeln. Eine davon lautet: “Nie auf Abzahlung” kaufen! Erst muss das Geld erwirtschaftet sein, welches man auszugegeben gedenkt. Doch *seufz* … ~ … eines Tages stand die Frau haargenau am selben Fenster und sah hindurch, da erblickte sie wunderschöne Schuhe und wurde lüstern darnach. Ihr Mann “erschrack” daraufhin enenso wie der des Märchens, stieg eines Abends seiner Frau zuliebe über die Regel-Mauer. UND – ES GESCHAH ERST EINMAL NICHTS.

Weil das gut ging, orderte Herr Redlich für seine Frau gleich noch eine Waschmaschine und einige Balkonpflanzen. (Übrigens kann man sich Blumenerde im Internet bestellen und spart sich somit das Schleppen derselben 😉 ) Und das alles, obwohl das Auto immer noch nicht durch den TÜV gekommen ist, einige Reparaturen anstehend sind und eine alte Schuld immer noch nicht beglichen.

Das Problem ist die Überwindbarkeit der Mauer, entdeckt der Mann. Für den, der einmal drüber ist, erscheint sie nämlich nicht mehr als Hindernis. Man klettert rüber und nüber, hin und her – so lange bis eines schönen Tages Frau Gothel, ein listiges Finanzamt, eine dicke Bank oder ein Notarius des Weges daher kommt …

“…wofern du mir das Kind geben wirst, womit deine Frau jetzo geht.”

Oder das Auto, womit du jetzo fährst.

Das Immerwiederkehrende

Heilige Einfalt oder dreimal verfluchte  Ahnungslosigkeit, Zeitschriftenabo oder goldene Gans – eine erfolgreiche Methode ändert sich nie. Erst erscheint der olle Aschekuchen als lecker Eierkuchen, das saure Bier als guter Wein und dann hockt eine goldene Gans im Gesträuch eines gefällten Baumes. – Da muss man doch zugreifen! Unbedingt! – Einer hat schließlich eine eine klebrige Feder in der Hand, der andere den zugehörigen Vertrag im Sack.

Kein Wunder, dass die Königstochter lacht!

Der Dummling macht aus der Gans ein Geschäftsmodell, erbt schließlich das ganze Königreich und vergnügt sich (aus steuerlichen Gründen) auf den Bahamas.

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Ein Schneider erkannte einst: Es genügt nicht, die Ware zu loben – NEIN! Auf Selbstvermarktung kommt es an, auf die Marke, den Brand, beziehungsweise auf das „Branding“, also auf die Art und Weise. Begeistert von einer spontanen Idee, stickt sich das tapfere Schneiderlein „Testsieger“ auf den Gürtel und geht in die Welt hinaus, auf dass es jeder erfahre. Wovon ein König hört und eine wiederkehrende Geschichte ihren Lauf nimmt.

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Alte Märchen und modernes Marketing sind friedlich vereint wie Lug und Trug – DOCH ALS KUNDE KANN ES IMMER WISSEN. Vorher schon. Weil mit den vielen Märchen in die Wiege gelegt.

„Mach niemandem die Tür auf!“ weiß daher eines jeden Unterbewusstsein, denn „sonst passiert Schröckliches!“

Wer es trotzdem macht, wer trotzdem die Tür öffnet, hat oft einen Vertreter im Zimmer zu hocken, den er nur schwer wieder los wird.

„Es saugt und bläst der Heinzelmann,
Wo Mutti sonst nur saugen kann.“

Lara sagt bei jeder Gelegenheit „gratis ist nur der Käse in der Mausefalle“ (ukrainisches Sprichwort) – UND DAMIT HAT SIE RECHT, verfluchtnochmal, dreimal Recht.

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„Selbst schuld!“ sagte ich gestern. Soll der geprellte Russe doch seine Briefe allein schreiben – es  ist ohnehin in den Wind gepupst. Der Leim an der Feder einer goldenen Gans ist aus der Tinte von Anwälten.

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Dieses Posting ist „abgezapft und original verkorkst von Parlhuber und Söhne“.

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P.S.: Neuerdings gibt es Gratis-Geschenke:

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Gratis-Geschenke sind allerdings mit „kostenlosen Gratisgeschenken“ noch zu toppen. (@btw: sollte ich mir diese saublöde Idee nicht schützen lassen?)

Das glückliche Gärtnerlein

Es war einmal vor vielen-vielen Jahren …

In einer Stadt namens Potsdam lebt ein wackerer Bursche, der sich seine innere Liebe zu Blumen, Pflanzen und sonstigem Gewächs zum Beruf gemacht hatte. Er besitzt einen grünen Daumen und so gedeiht alles, was er pflanzt. Wunderschön sind seine Gärten, wunderschön ist, was er tut.

Zugegeben: das Salär ist nicht sonderlich üppig, doch es reicht den Bedarf zu decken. Was das glückliche Gärtnerlein zufrieden macht. Mit sich und der Welt.

Besser: „machte“, denn eines Tages erschien ihm ein hübsches Weib aus der Sowjetunion voll natürlicher Erotik, zahlreichen hübschen Formen und einer Stimme mit sexi Akzent. Wenn sie „Errringssssalat“ sagte, schwoll dem Gärtnerlein ein gewisses Glied, er konnte nicht widerstehen.

Kurz und gut: Er nahm sich irgendwann dieses Weib zur Frau. Tauschte Zufriedenheit gegen Unrast, denn von nun an galt es Schuhe, Kleidung, Schmuck zu besorgen und natürlich auch – YOLO! – Partys zu veranstalten.

„Schützenfest, Casinobälle – Ikra, das ist ihr Leibgericht,
Russendisko und Konzerte – ohne sie da geht es nicht.“

„Erfüllte Wünsche kriegen junge, wie Säue“ wusste bereits Wilhelm Busch. Beider Leben entwickelte sich exponential in einem Koordinatensystem zwischen Zeit und Geld. Und da das einst glückliche Gärtnerlein nicht stehlen wollte, machte es unzählige Überstunden, was schließlich bei weitem nicht ausreichte, des Weibes Bedarf zu decken.

Plötzlich – PENG! – war das Weib aus der Sowjetunion wieder zu haben.

Wieder vergeht einige Zeit.

Des Gärtners Ablösung sei nun – sagt man sich so – ebenso verloren wie einst das Gärtnerlein und betäube daher regelmässig – sagt man sich so – Kummer mit Alkohol, derweil sich unser Gärtnerlein für Fußball interessiert, für Frauenfußball, für Turbine Potsdam, (auch für die deutsche Frauenfußballnationalmannschaft – das aber nur nebenbei).

Kein Heimspiel ohne Gärtner und auch auswärts ist das glückliche Gärtnerlein oft dabei, gemeinsam mit seinen vielen neuen Freunden, die mit ihm (s)ein Hobby teilen.

„Ole-ole, Turbine Potsdam, ole!“

Derweil der Hexe Zaubertrank – offensichtlich – nicht mehr wirkt und sie daher so aussehen muss, wie sie wirklich ist. Aller Chirurgie zum Trotz. Dabei – fast ist das nun Folgende sogar zum Lachen – nicht wahrhaben wollend oder nicht wissend, dass man ihr das Aussehen auch tatsächlich ansieht.

Demgegenüber kann man(n) glücklicher nicht sein. Und wenn der Gärtner nicht gestorben ist, lebt er heute glücklich und zufrieden.