Influenza mit bakterielle Sekundärinfektion

Telefon läutet

Hallo, wie geht es denn so?

*hust* bin krank *hust*

Ach du liebe Güte! Was machst du denn da so den ganzen Tag?

Ich? – Ich *hust* bleibe heute im Bett (*hust*)²

Fein. Ich habe 13:00 Uhr einen Termin beim Zahnarzt, dann kannst du mich ja hinbringen.

Diktatur der Ratschläge

Es gibt mehrere Kunstgriffe, sich selbst aufzuwerten bzw. jemanden zurückzusetzen. Ein Kunstgriff besteht aus Ratschlägen. So ist es auch kein Wunder, dass sich ein Mensch – kaum dass er sich krankheitsbedingt nicht wehren kann – von Ratschlägen umzingelt sieht.

Derweil ich allerdings so krank, dass ich nicht zuhöre. Nur Weniges dringt durch: Tee könnte helfen, Kompressen, Äpfel … –

Plötzlich bin ich froh, dass ich nicht in meiner Heimat krank bin. Hier heilt man den Schnubben mit Wodka und Pfeffer, Magenschmerzen mit Wodka und Salz und das Gesamtbefinden mit Wodka und Chili.

Schon höre ich die Stimme meines verstorbenen Schwiegervaters:

“Trink, Söhnchen, trink! Oder willst du gar nicht gesund werden?”

Eingeparkt

Soeben in Babelsberg: Ich will gerade aussteigen, kann aber nicht. Weil sich neben mir rücklings – in eine ultra-enge Parklücke – eine fremde Frau schiebt. Ihr Auto kommt zum Stehen und so stehen wir beide Tür an Tür, nur eine [sic!] Spiegelbreite von einander getrennt. Derweil sie in ihrem Auto heftig gestikuliert und signalisiert, dass ich meine Scheibe runter lassen soll.

Nun bin ich neugierig, was man mir in solcher Situation zu sagen hat.

Und sie sagt doch tatsächlich…

<künstlerische pause>TROMMELWIRBEL!</pause>

„Ich komme nicht raus!“

Wertewandel

Wir hatten nicht viel Zeit zwischen Ankunft in der Arena und Spielbeginn, zumal meine Tochter sich weigerte, auf ein Gespräch mit „rein“ zu kommen.

„Lass uns lieber irgendwo einen Kaffee trinken gehen“, gab sie vor, dabei hätten wir bequem in der Halle … – GESCHENKT. So bewegte sich der Berg zum Propheten, was einige Zeit (neues Thema – neue Obsessionen) in Anspruch nahm, denn an die Warschauer Straße wollte sie nicht, „viel zu dreckig“, dann lieber über die lange Brücke bis zur Revaler.

„Du lebst im Augenblick völlig anders, als du mich erzogen hast“, erfahre ich beim Vietnamesen noch bevor wir irgendwas bestellt hatten. „So patriarchalisch!“, präzisiert sie und es klingt nach Vorwurf.

„Wenn ich dich immer so reden höre: Lara hier, Lara dort. Uuund …“

Töchterchen macht nun eine rhetorische Pause, zieht den Mund zusammen, so als würde sie eine Zitrone lutschen müssen

<ironie>
„…sie liebt es, Salate zu machen.“
</ironie>

Erneut klingt es nach Vorwurf. Was eigentlich logisch ist, denn Töchterchen ist mit fast dreißig Lebensjahren in eben jenem Alter, in dem man alles weiß und alles erklären kann. Die eigenen Werte sind Axiom, mathematische Formel, unverrückbares Bezugssystem, welches jede Welt interpretiert. Frau weiß was läuft.

Sie setzt mich unter Rechtfertigungsdruck. Ich versuche mich zu erklären: „Stimmt. Früher habe ich genauso gedacht und gelebt. Aber inzwischen weiß ich …“

Weiter komme ich nicht. Das olle iPhone ruft mich zur Ordnung.

„Wo sind die Schlüssel? Wo steht der Rechner? Und wo zum Teufel bist du?“

Mir bleibt also „tutmirleid, muss los“ zu sagen.

„Früher hattest du dein Handy immer aus“, sagt sie beim Abschied.

Womit sie natürlich Recht hat.

Fragmente, Splitter und Schrutz

Wahrscheinlich wird es hier einige Tage lang etwas langweilig werden. Langweiliger als sonst. Aber …

*seufz*

„Ökonomie der Zeit – darein löst sich schließlich alle Ökonomie auf…“

.. @? – @!! – Jedenfalls…

Ich brauche wieder einmal einen Plan und das verbleibende Leben – der Rest vom Rest – braucht eine andere Struktur. Denn:

„Das Wertvollste, was der Mensch besitzt, ist das Leben. Es wird ihm nur einmal gegeben, und er muss es so nutzen, dass ihn sinnlos verbrachte Jahre nicht qualvoll gereuen, die Schande einer kleinlichen, inhaltslosen Vergangenheit ihn nicht bedrückt, … . Und er muss sich beeilen, zu leben. Weil eine dumme Krankheit oder irgendein tragischer Zufall kann dem Leben jäh ein Ende setzen.“*

Witzig: Je allgemeiner eine Aussage, desto leichter lässt sich ihr zustimmen. Die Gnade unvollendeter Argumente.

Dann setz dich hin und schreibe den Aufsatz neu!

Das Wertvollste, was der Mensch besitzt, ist LebensZEIT. Sie steht ihm nur befristet zur Verfügung, und zwar in klitze-kleinen Raten, maximal 24 Stunden pro Tag.

JA! YES! – Und: da war noch was mit Rousseau? Mit dem Gesellschaftervertrag? Mit Ketten den Sklaverei … – doch:

„Wo keine Wirkung ist, braucht man keine Ursache zu suchen“**

„Womit wir wieder am Anfang unseres Witzes angekommen“: Je allgemeiner eine Aussage …

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* Aufsatzthema für DDR-Abitur in den 1970er Jahren, aus „Wie der Stahl gehärtet wurde“ von Nikolai Alexejewitsch Ostrowski.

** Über Kunst und Wissenschaft (1750) von Jean-Jacques Rousseau

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Hier möchte ich noch rasch zwei Bücher von denen loben, die ich mir jüngst aus dem Netz pumpte:

  • Schopenhauer, „Die Kunst, Recht zu behalten“
  • Barbara Sichtermann „Karl Marx – neu gelesen“ (Hierin das Vorwort von Barbara Sichtermann)

Beides ist jeweils für ein Apfel und ein Ei zu haben (in iBooks).

Geständnis

Gerade gucke ich die Bilder durch, die Granny aufbewahrte UND PLÖTZLICH WEISS ICH ES WIEDER: Meine Belesenheit hat anatomische Gründe.

Weil das linke Ohr abstand, was mir als Kind total peinlich war …

2014-01-23 10.02.01

… glaubte ich der anatomischen Anomalie durch Lesen beikommen zu können.

Ich nahm mir ein Buch, legte mich auf die Seite, dergestalt dass die Hand gegen das linke Ohr drückte und las, und las, und las, und las, … – immer in der Hoffnung, das abstehende Ohr würde eines Tages dadurch verschwinden.

Ein Mensch voll schöner Symmetrie
Der liest selten. Oder nie.

Dialektik

1969. 292. Mittelschule in Moskau.

Wir Schüler erfahren, was für dem Aufbau des Kommunismus nötig und nebenher auch von der marx’schen Dialektik zwischen Produktionsverhältnissen und Produktivkräften. Von Logik und Geschichte, erfahren die Methode des Aufsteigens vom Abstrakten zum Konkreten …

Auswendiglernstoff, abstrakt-anachronistisch.

Und:

„Wenn ihr’s nicht fühlt,
Ihr werdet’s nicht erjagen,
Wenn es nicht aus der Seele dringt,
Und mit urkräftigem Behagen
Die Herzen aller Hörer zwingt.
…“

Heute spüre ich den PK-PV-Widerspruch hautnah. Meine innere Produktivkraft versteht inzwischen Minimalismus als Lebensform, dergestalt dass einerseits – … – vereinfacht: der ganze persönlich materialistische Schrumms in einen Koffer passen sollte. Einen, den man sich jederzeit schnappen kann, um ein Ticket zu lösen und um irgendwohin zu verschwinden (das Diogenes-Prinzip) – … – andererseits die gewohnten Verhältnisse nach Materialisierung rufen.

Lara will eine neue Küche, Granny will Angehäuftes bereits zu Lebzeiten vererben.

„Ihr könnt alle meine großen Tischdecken haben …“

Und ich brauche das alles nicht. Alles brauche ich nicht. Nix von alledem.

….

Muss leider los. Der Materialismus fordert auch heute seinen Tribut – Posting bleibt unvollendete, die Verhältnisse, die sind nicht so.

Frust

Der deutsche Elektriker, der uns für Ausländer hält, will uns bescheißen. Im Bunde mit dem Vermieter erklärt er uns gaaanz laaangsam in einer Art Indianer-Deutsch, dass er ein einfaches Kabel nicht durch das Bad verlegen darf.

„Du wissen: In Deutschland gibt es DIN-Norm [sic!], die besagt: Kabel nix durch Bad. …“

Ich soll eine Kabel-Umleitung über den Flur zusätzlich bezahlen.

„… Aber wenn-de nich glaubst, kann-du rede mit Scheffe“

Sprach’s und drückt mir ein uraltes Handy in die Hand.

Ich verzichte. Bin frustriert. Heute habe ich noch nicht einmal Lust auf einen Joke. Nur dass die Abkürzung „DIN“ bereits die „Norm“ enthält, sage ich ihm freundlich unter Tagesordnungspunkt „Sonstiges“.

Was der Blödmann nicht kapiert.

„Sach-ich doch: Es jibbt eene DIN-Norm!“

OMG! – Wo bin ich hier nur gelandet?

Überdurchschnittlichkeit

Frau Wirtin hat auch einen Schmied,
Der besitzt ein Eisenglied.
Um ihr dies zu beweisen
Legt‘ er’s auf den Schienenstrang
Und ließ einen Zug entgleisen.

Jedenfalls hat Granny – die demnächst 79 Jahre alt wird! – ihre Kreditkartennummer auswendig gelernt, nebst zugehöriger PIN. Darüber hinaus kennt sie ihre zehnstellige Online-Banking-Zugangsnummer nebst fünfstelliger PIN und alle EC-Karten- und Handy-PINs.

WOW!


Um mir dies zu beweisen
Holte sie ihr iPad raus
Und fing an, zu überweisen.

„Und?“, fragte ich, „was hast du für eine Geschichte?“, doch Granny verstand diese Frage nicht.

Ich – zum Beispiel – kenne meine Zahlen zwar auch, aber erstens bin ich jünger und zweitens habe ich zu jeder meiner Zahlenfolgen eine Geschichte. Mein Online-Banking-Zugang – beispielsweise – ist eine dampfende Lokomotive (158) mit Tender (9119), dem langsam die Kohlen ausgehen (ein „normaler“ Tender halbvoll Kohlen wäre 9109 – voller Kohlen sähe ein Tender wie 9009 aus) und die durch ein Tal zwischen großem und kleinem Berg (603) hindurch fährt. Eine Mutter nebst Tochter (= große Brüste, kleine Brüste; = 65 62) helfen mir an jeder Cash Machine usw.

Machmal haben meine Ziffern auch eine Melodie. Oder Farben (sechs ist leuchtend rot, acht ist blau) – eineindeutig sozusagen. Eine injektive Denkfunktion. WOGEGEN GRANNYS ZAHLENFOLGEN NICHTS DERGLEICHEN AUFZUWEISEN HABEN. Es sind Soda-Zahlen, sie sind einfach so da. Wofür sie heute von mir ein Doppel-WOW! kriegt.