19. Tag
Es ist 4:30 Uhr. Hund und ich marschieren zum Kirchsteigfeld, der Kopf ist frei. Denke und bereite nach.
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Gestern besuchte uns wieder einmal einer der vielen russischen Ratgeber spät abends und lies mich prompt spüren, dass mein Upgrade im Sozialverhalten – alles Ausredenlassen und das Zuhörenwollen – möglicherweise einer Revision bedarf. Gottes Sohn ist den Menschen ja schließlich auch mehr als Prediger im Gedächtnis geblieben als als Zuhörer.
<ironie>Nun endlich</ironie>, da das Auto bei einem Schrauber in Behandlung, kann mir jeder Russe, der des Weges daher kommt, sagen, wo man PKW-Ersatzteile noch viel-viel billiger bekommen kann und welcher andere Schrauber darüber hinaus bereit ist, für wenige Kopeken zu schrauben. Derweil der, den ich anheuerte, vermutlich nur mit sehr-sehr viel Euro zufrieden ist.
“Sergej in Grunewalde? Dass ich nicht lache! – Geh du nächste Mal zu Grigorij! Grigorij ist echte Experte, Spezialist und billig ohne Vergleich.”
Paradox: Diejenigen, die am meisten Ahnung haben, bauen in ihrer Heimat die schlechtesten Autos der Welt. Vor allem montags und nach Feiertagen.
Hast du einen Жигули (Schiguli) bekommen, der an einem 3. Mai erbaut wurde oder schlimmer noch: an einem 9. März – kannst du den gleich vergessen. Ein Rat zur Jugendweihe:
Hüte dich vor scharfen Frauen
Und Autos, die die Russen bauen.
Die alte Weisheiten aus der Stagnationsperiode sind heute immer noch anwendbar.
Ein weiteres Paradoxon: Das Land der besten Autoexperten verfügt über die schlechtesten Straßen Europas, wenn nicht sogar der Welt.
Derweil der typische Deutsche seine schicken Autos, die stets auf gepflegten Straßen unterwegs sind, einer Werkstatt überlässt. Mit dicken Angestellten, schweißstinkend, die sich mit solcher Arbeit lustlos ihren Lebensunterhalt verdienen, einmal Gucken für € 62,50 ~ …
Ich bin zwar durch und durch russifiziert, aber aus deutschen Material. Gegen Gene kommt man nicht an. So interessiere ich mich ausnahmsweise nicht für Automobiltechnik. Mein Auto ist einfach nur Abkürzung oder Hundebox auf vier Rädern.
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Gestern hörte ich zu. Ließ ausreden. Fragte nach. Heuchelte Interesse. Der Gutmensch in mir praktiziert Vortragsfasten, verzichtet auf eigene Themen und langweilt sich immer öfter.