Ob ich nicht helfen könne, bittet mich ein guter Bekannter mit Migrationshintergrund. Er und sein Freundeskreis haben bereits seit einigen Wochen die großartige Idee, Wodka in Deutschland zu vertreiben, und …
“…du könntest uns dabei gut helfen – du sprichst Deutsch.”
Klar – wenn das kein Grund ist, gäbe es nie einen anderen.
Dergestalt befragt, sage ich weise “hmmm”, gucke betont kritisch und wende ein, dass Wodka in Deutschland nicht unbedingt zu den Grundnahrungsmitteln gehört.
Zugleich versuche ich den Deal genauer zu hinterfragen.
“Was ist das Besondere an deinem Wodka? Weshalb – glaubst du – sollen die Menschen diesen Wodka kaufen und keinen anderen?”
Offenbar hat er so genau darüber noch nicht nachgedacht. Überlegt einige Zeit, bis er zwei Gründe findet:
Erstens sei die Qualität sehr gut. Letzten Dienstag haben sich einige Jungs die Rübe zugedröhnt und erwachten am folgenden Mittwoch trotzdem ohne Kopfschmerz.
! Wodkaqualität definiert sich stets über das Verhältnis von Freude davor zu Schmerz danach !
Zweitens stimme der Preis. “Wir” kämen auf einen Einstand von 2,20 Euro auf den halben Liter, könnten demnach die Pulle für 2,99 Euro verkaufen und würden “uns” somit dumm und dämlich verdienen.*
Was mir als Information genügen sollte.
Wenn Russen über ein anstehendes Geschäft reden, geschieht dies oft in einer Mischung aus eigener Unwissenheit und Großkotz. Was mich allerdings nicht hindert, helfen zu wollen. So doziere ich über Markenführung, Differenzierung, erkläre Kategorien wie “Claim” und mache erste Vorschläge zur Umbenennung:
“Peacemaker” wäre doch hübsch? Oder “Russenfrühstück”
… ~ … ~
Jedenfalls müsse es nun darum gehen, die zukünftige Marke zu kommunizieren. Wodka ist der Schlüssel zur Tiefe der Russischen Seele, daher sollte auf den Etiketten Trinksprüche zu finden sein, nach dem Zufallsprinzip …
“Внимание! Родился нежный и лирический тост.”**

Oder-oder-oder: QR-Codes auf jeder Pulle!
“Du scannst es ein und auf deinem Handy erscheint vielleicht: Если мы будем продвигаться такими темпами, то лично я на аэродром не попадаю.”***

Ich bin überhaupt nicht aufzuhalten, mein Vortrag gerät zur Show. Bald – weiß ich schon – werde ich abheben.
“You look at any giant corporation, and I mean the biggies, and they all started with a guy with an idea, doing it well.” (Irvine Robbins)
Mitten im Ready-for-Takeoff werde ich unterbrochen:
“Wirst du mir helfen, Wodka zu verkaufen? Oder nicht?”
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* Metamorphose: Anfangs waren es “sie”, denen “ich” helfen sollte, erst gegen Ende der Diskussion waren wir “wir”.
** Aus Ironie des Schicksals: “Achtung! Soeben wurde ein bescheidener lyrischer Trinkspruch geboren.”
*** Ebenda: “Wenn wir uns weiter in sochem Tempo bewegen, gelange ich persönlich nicht mehr zum Flughafen.” (Insidergag)